Aufgedeckt: Fünf Mythen zum Urlaubsrecht in Deutschland

Urlaub, die schönste Zeit des Jahres – doch der Teufel steckt im Detail. Die fünf hartnäckigsten Mythen zum Urlaubsrecht haben wir rechtlich eingeordnet.

Fachautoren:

  • Dr. Saskia Pitzer

  • Neil Yeats

Die Urlaubsplanung, ein für viele Arbeitnehmer* liebgewonnenes Ritual, kann sich mitunter zu einer wahren Herausforderung entwickeln. Sobald der Urlaub für das kommende Jahr festgelegt ist, taucht oft eine Vielzahl an Fragen auf, die es zu klären gilt. Wann verfällt eigentlich der Resturlaub? Welche Auswirkungen hat es, wenn man während des Urlaubs erkrankt? Und darf der Arbeitgeber bereits gewährten Urlaub im Nachhinein doch noch zurücknehmen? 

Wir haben uns diese und andere Fragen einmal genauer angesehen und die sich darum rankenden Mythen eingeordnet. Die nachstehenden Ausführungen gelten in erster Linie für den gesetzlichen Mindesturlaub. Für tarifvertraglichen oder individualvertraglichen Zusatzurlaub sind abweichende Regelungen, z.B. zum Verfall, möglich.

Mythos Nr. 1: „Urlaub verfällt spätestens mit Ablauf des 31. März des Folgejahres“

Falsch: Urlaub ist nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) im laufenden Kalenderjahr zu gewähren und zu nehmen (§ 7 Abs. 3 BUrlG). Erfolgt dies nicht, verfällt der Urlaub tatsächlich bereits mit Ablauf des 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres und nicht erst im Folgejahr. 

Richtet sich die Urlaubsgewährung ausschließlich nach Gesetz, ist eine Übertragung des Urlaubs in das Folgejahr nach dem BUrlG grundsätzlich nur möglich, wenn Gründe in der Person des Arbeitnehmers (z.B. Arbeitsunfähigkeit oder die Erkrankung eines nahen Angehörigen) oder dringende betriebliche Gründe (z.B. termin- oder saisongebundene Aufträge) dies rechtfertigen. In diesem Fall muss der Urlaub bis zum 31. März, also innerhalb der ersten drei Monate des folgenden Jahres, genommen werden; andernfalls verfällt er ersatzlos. 

Eine andere Verfallsregelung gilt nach der Rechtsprechung des BAG allerdings für durchgehend arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer; ihr Urlaubsanspruch verfällt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres.

Allerdings kommt ein Verfall tatsächlich nur eingeschränkt in Betracht. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) verfallen Urlaubsansprüche nur dann, wenn der Arbeitgeber zuvor „konkret und in völliger Transparenz“ dafür gesorgt hat, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen; das gilt auch für langzeiterkrankte Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber ist daher verpflichtet, den Arbeitnehmer förmlich aufzufordern, den Urlaub zu nehmen und dem Arbeitnehmer „klar und rechtzeitig“ mitzuteilen, dass und wie viele Urlaubstage für ein konkretes Kalenderjahr (noch) zur Verfügung stehen.

Der Arbeitnehmer muss zudem darüber informiert werden, dass der Urlaub grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres verfällt. Der Arbeitgeber muss im Streitfall nachweisen, dass er seinen Mitteilungsobliegenheiten genügt hat.

Nur wenn diese Bedingungen erfüllt sind, erlischt der Urlaubsanspruch mit dem Ablauf des Urlaubsjahres oder des Übertragungszeitraums. 

Mythos Nr. 2: „Erkrankt ein Arbeitnehmer im Urlaub, hat dies keinen Einfluss auf seinen Urlaubsanspruch“

Falsch: Das deutsche Urlaubsrecht schützt Arbeitnehmer auch im Fall einer Arbeitsunfähigkeit im Urlaub. Nach § 9 BUrlG werden die Tage, an denen ein Arbeitnehmer im Urlaub arbeitsunfähig erkrankt, nicht als Urlaubstage gezählt und dementsprechend nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Arbeitsunfähigkeit durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen wird(§ 9 BUrlG). Weitere Voraussetzungen, z.B. eine unverzügliche Anzeigepflicht der Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Arbeitgeber, können sich aus Tarifverträgen ergeben.

Im Anschluss an die Krankheitsperiode haben Arbeitnehmer das Recht, die verpassten Urlaubstage zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen (sog. Nachgewährung). Die Nachgewährung erfolgt nach denselben Grundsätzen, wie die Erstgewährung, insbesondere ist § 7 BUrlG zu berücksichtigen. Eine eigenmächtige Verlängerung des Urlaubs durch den Arbeitnehmer um die Anzahl der Tage der Arbeitsunfähigkeit ist nicht zulässig. Eine solche Selbstbeurlaubung kann arbeitsvertragliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung nach sich ziehen. Der Arbeitnehmer hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Urlaub unmittelbar im Anschluss an seine Genesung fortgesetzt werden kann.

Mythos Nr. 3: „Gewährten Urlaub kann der Arbeitgeber einseitig jederzeit wieder streichen“

Falsch: Gemäß § 7 BUrlG haben Arbeitnehmer grundsätzlich Anspruch auf den bereits bewilligten Urlaub. Eine einmal erteilte Urlaubsgenehmigung kann daher grundsätzlich nicht einseitig vom Arbeitgeber widerrufen werden. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn z.B. dringende betriebliche Gründe vorliegen, die eine Änderung des Urlaubsplans erforderlich machen und einen anderen Ausweg nicht zulassen (LAG Köln, Urteil v. 27. September 2012 – 6 Sa 449/12). Dies wäre z.B. in Fallkonstellationen denkbar, in denen es in dem eigentlich bereits gewährten Urlaubszeitraum auf die Arbeitskraft dieses bestimmten Arbeitnehmers ankommt, weil andernfalls der Zusammenbruch des Unternehmens droht und es dem Arbeitgeber daher schlechthin unzumutbar wäre, an der Urlaubsgewährung festzuhalten. Es müssen also ernsthafte Gefahren bzw. erhebliche Schäden drohen, die nur durch die Mitwirkung des sich im Urlaub befindlichen Arbeitnehmers abgewendet werden können. Übliche, beherrschbare betriebliche Schwierigkeiten reichen nicht aus; es muss sich vielmehr um einen Notfall handeln.

Der Rückruf eines Arbeitnehmers aus einem bereits angetretenen Urlaub kommt regelmäßig nicht in Betracht. 

Eine einmal erfolgte Urlaubsgewährung gilt allerdings gleichermaßen zwingend für den Arbeitnehmer. Auch er kann nicht einseitig von einem einmal gewährten Urlaub Abstand nehmen oder diesen „zurückgeben“, z.B. weil er eine geplante Reise doch nicht antreten will. 

Auch eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, in der sich letzterer die Möglichkeit einer nachträglichen einseitigen Änderung des Urlaubs bzw. den Rückruf des Arbeitnehmers aus dem Urlaub vorbehält, kommt nicht in Betracht. Denn eine solche ist wegen Verstoßes gegen die zwingenden Vorgaben des BUrlG nach § 13 BUrlG unwirksam (BAG, Urteil v. 20. Juni 2000 – 9 AZR 405/99). Eine freiwillige einvernehmliche nachträgliche Änderung des einmal festgelegten Urlaubs ist allerdings möglich (LAG Hamm, Urteil v. 11. Dezember 2002 – 18 Sa 1475/02).

Mythos Nr. 4: „Urlaub muss nur auf Antrag gewährt werden“

Richtig: Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer seinen Urlaubswunsch eindeutig, unbedingt und hinreichend bestimmt geltend machen. Eine Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer ohne Antrag oder Wunsch Urlaub zu gewähren und ihn auf diese Weise zu zwingen, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, besteht nicht (BAG, Urteil v. 19. Februar 2019 – 9 AZR 541/15). 

Der Arbeitgeber kann einem Arbeitnehmer einseitig Urlaub erteilen. Allerdings steht dem Arbeitnehmer eine Annahmeverweigerungsrecht zu. Legt der Arbeitgeber den Urlaub eines Arbeitnehmers daher zeitlich fest, ohne einen dahingehenden Antrag oder Wunsch des Arbeitnehmers, muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen, wenn er von der zeitlichen Festlegung abweichende Urlaubswünsche hat. Andernfalls darf der Arbeitgeber davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer mit der zeitlichen Festlegung einverstanden ist. Dies gilt spätestens dann, wenn der Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber festgelegten Urlaub nimmt. 

Mythos Nr. 5: „Arbeitnehmer in der Probezeit haben keinen Urlaubsanspruch“

Falsch: Der Irrglaube, Arbeitnehmer hätten in der Probezeit keinen Anspruch auf Urlaub, ist weit verbreitet. Tatsächlich haben Arbeitnehmer aber bereits in der Probezeit einen Anspruch auf Urlaub.

Zwar entsteht der volle Urlaubsanspruch nach § 4 BUrlG erst nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Bis zu diesem Zeitpunkt erlangt der Arbeitnehmer aber jeden Monat einen Anspruch auf 1/12 seines Jahresurlaubs, den er auch während der Probezeit nehmen darf.

Ein gesetzliches Verbot, Urlaub während der Probezeit zu nehmen, existiert nicht. Allerdings kann der Arbeitgeber die Gewährung des Urlaubs in dem beantragten Zeitraum auch während der Probezeit bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe oder entgegenstehenden Urlaubswünschen anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, nach § 7 BUrlG ablehnen.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

 

Sie möchten mehr über dieses Thema erfahren oder haben konkrete Fragen? Dann nehmen Sie gerne Kontakt zu unseren Fachautoren auf.

Dieser Beitrag wurde zuerst auf dem CMS-Blog veröffentlicht.

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